Drei Jah­re lief das Pro­jekt ALmA (Abwechs­lungs­reich Ler­nen, mit­ein­an­der Arbei­ten) – in dem Men­schen bei uns neben dem theo­re­ti­schen Grund­bil­dungs­un­ter­richt auch pra­xis­ori­en­tier­te Ange­bo­te erhiel­ten. Das Pro­jekt wur­de aus Mit­teln des Euro­päi­schen Sozi­al­fonds und der Senats­ver­wal­tung für Inte­gra­ti­on, Arbeit und Sozia­les im Rah­men der Bezirk­li­chen Bünd­nis­se für Wirt­schaft und Arbeit geför­der­tes Pro­jekt, in dem Men­schen bei uns neben dem theo­re­ti­schen Grund­bil­dungs­un­ter­richt auch pra­xis­ori­en­tier­te Ange­bo­te erhiel­ten. Nun berich­tet Kurs­lei­ter Lucas Romeik von sei­nen Erfahrungen.

Ich bin sehr froh dar­über, dass ich drei Jah­re das Pro­jekt ALmA als Kurs­lei­ter beglei­ten konn­te und so man­nig­fal­ti­ge Erfah­run­gen mit Men­schen, die lesen und schrei­ben ler­nen wol­len, sam­meln konn­te. In der Alpha­be­ti­sie­rung und Grund­bil­dung sehe ich mich nicht in der Rol­le Leh­rers, son­dern als Lern­ver­mitt­ler. Auch ich ler­ne jeden Tag Neu­es und pas­se die Lern­ma­te­ria­li­en und The­men immer wie­der den Bedürf­nis­sen der Teil­neh­men­den tages­ak­tu­ell an.

Die Men­schen, die zu ALmA kamen, hat­ten meh­re­re Gemein­sam­kei­ten: Sie hat­ten Schwie­rig­kei­ten beim Lesen und Schrei­ben. Sie kamen aus einem nicht­eu­ro­päi­schen Her­kunfts­land und konn­ten in Ihrer Hei­mat die Schu­le nicht besu­chen. Vie­le hat­ten trau­ma­ti­sie­ren­de Flucht­er­fah­run­gen auf dem Weg nach Deutsch­land machen müs­sen. Sie nah­men i.d.R. in Deutsch­land bereits an meh­re­ren Sprach­kur­sen teil. Dort fie­len sie durch das Ras­ter, weil sie mit dem ange­setz­ten Lern­tem­po der euro­päi­schen Bil­dungs­stan­dards nicht in der Lage waren, ein Sprach­zer­ti­fi­kat zu erwer­ben. Der Hin­ter­grund: Ihnen fehl­ten bereits Kennt­nis­se im Lesen und in der Mut­ter­spra­che. ALmA war also häu­fig schon der zwei­te oder drit­te Versuch.

Zu Beginn des Pro­jek­tes wuchs die Grup­pen­grö­ße ste­tig an, die Hete­ro­ge­ni­tät der Teil­neh­men­den stell­te eine enor­me Her­aus­for­de­rung dar, denn es war ein hohes Maß an Bin­nen­dif­fe­ren­zie­rung erfor­der­lich. Mit indi­vi­du­ell aus­ge­wähl­ten Lehr­wer­ken und spe­zi­el­len Auf­ga­ben in Ein­zel­ar­beit reagier­te ich immer wie­der auf die Bedar­fe. Ab einer Stär­ke von acht Per­so­nen wur­de es immer schwie­ri­ger, alle Teil­neh­men­den aus­ge­wo­gen zu betreu­en. Also kam ein Kol­le­ge als Quer­ein­stei­ger zu uns ins Pro­jekt ALmA. Sei­ne Far­si-Kennt­nis­se berei­cher­ten das Pro­jekt, so dass er sich sehr schnell in die Bera­tung ein­brin­gen und Auf­ga­ben im Ein­zel­un­ter­richt über­neh­men konn­te. So hat­te ich mehr Zeit, um die pri­mä­ren Analpha­be­ten bes­ser zu unter­stüt­zen. Gera­de am Anfang des Schrift­er­werbs (Laut­syn­the­se) ist eine gedul­di­ge Beglei­tung unabdingbar.

Men­schen, die Schwie­rig­kei­ten beim Lesen und Schrei­ben haben, kön­nen i.d.R. kei­ne For­mu­la­re selbst­stän­dig aus­fül­len, Anträ­ge stel­len oder Ange­bo­te der sozia­len Infra­struk­tur wahr­neh­men. Ver­se­hent­lich abge­schlos­se­ne Ver­trä­ge, Ver­schul­dung oder fami­liä­re Belas­tun­gen stell­ten bei vie­len Teil­neh­men­den Fak­to­ren dar, die dem Lern­fort­schritt im Wege stan­den. Daher konn­ten die Teil­neh­men­den zusätz­lich zum Bil­dungs­an­ge­bot auch eine sozi­al­päd­ago­gi­sche Unter­stüt­zung in Anspruch nehmen.

Die vor­han­de­nen Sprach­kom­pe­ten­zen Deutsch waren sehr unter­schied­lich. Teil­neh­men­de mit hoher gesell­schaft­li­cher Teil­ha­be und einem damit ver­bun­de­nen fort­ge­schrit­te­nen Sprach­stand lern­ten gemein­sam mit jenen, die in ihrer Umge­bung sel­ten bis nie Deutsch spra­chen, dafür aber schon Vor­kennt­nis­se in der Schrift­spra­che mit­brach­ten. Dann stell­te mich die pan­de­mi­schen Rah­men­be­din­gun­gen vor die Her­aus­for­de­rung, ohne per­sön­li­chen Kon­takt die Grup­pe wei­ter zu unter­rich­ten. Anfangs lös­ten wir dies mit­tels ana­lo­ger Lern­pa­ke­te, die per Post zuge­schickt wur­den. Ein digi­ta­ler Zugang war zu die­sem Zeit­punkt noch nicht möglich.

In die zwei­te „Coro­na­wel­le“ gin­gen wir bes­ser vor­be­rei­tet. Es gelang uns, die Grup­pe zu befä­hi­gen, den Han­dy-Mes­sen­ger­dienst „Signal“ zu hand­ha­ben. Mit­hil­fe von „Signal“ änder­te sich die Metho­dik schlag­ar­tig. Der Unter­richt war zwar nicht ver­gleich­bar mit dem Prä­senz­un­ter­richt, aber wir konn­ten Lern­erfol­ge ver­zeich­nen  und vor allem den Kon­takt hal­ten und die Betreu­ung der Teil­neh­men­den fort­set­zen. Die Grup­pe wur­de auch wei­ter­hin mit Auf­ga­ben­pa­ke­ten ver­sorgt. Zusätz­lich konn­ten die Teil­neh­men­den für die indi­vi­du­el­le Unter­stüt­zung zu Ein­zel­ter­mi­nen zu uns kommen.

Nach­dem der Unter­richt mit Abstand, regel­mä­ßi­ger Lüf­tung und Mas­ken wie­der mög­lich war, nor­ma­li­sier­te sich die Situa­ti­on wei­test­ge­hend. Aller­dings waren Grup­pen­ar­beit, Part­ner­ar­beit oder Min­geln, wel­che zur Abwechs­lung bei­tra­gen, nur bedingt wie­der umsetz­bar. Das Ler­nen konn­te somit noch nicht allen Lern­ty­pen gerecht wer­den. Man­che Teil­neh­men­den brauch­ten Bewe­gung, ande­re das Spiel oder Pla­ka­te zum Lernen.

Es zeich­ne­te sich ab, dass ein krea­ti­ver Ansatz mit Kunst, Gestal­tung und Musik den Lern­erfolg erheb­lich stei­gert, da er grund­le­gen­de, krea­ti­ve Fähig­kei­ten frei­setzt und zudem auch eine kul­tu­rel­le Teil­ha­be am Leben in Deutsch­land mög­lich macht. Dar­über hin­aus wur­de ich zuneh­mend zum Gesund­heits­be­ra­ter. Coro­na­tests, Imp­fun­gen, 3‑G Regeln: Für alle Fra­gen war das Team von ALmA bera­tend, auf­klä­rend und unter­stüt­zend tätig, sowohl auf all­ge­mei­ner als auch per­sön­li­cher Ebene.

Im Rück­blick konn­te ich mit der ALmA-Grup­pe eine Band­brei­te von Lehr­me­tho­den anwen­den, um den jeweils neu­en Umstän­den zu ent­spre­chen. Die Lern­schrit­te wur­den im gesam­ten Ver­lauf immer klei­ner. Anfangs nahm ich mir zu viel im Unter­richt vor, hat­te zu hohe Erwar­tun­gen. Die TN brau­chen ein­fach mehr Zeit, um sich den „Stoff“ zu mer­ken. Sie muss­ten ihn wie­der und wie­der üben, da sie- wie schon gesagt — zu Hau­se oft kein Deutsch spra­chen. Der gute Grup­pen­ver­band und die vie­len Exkur­sio­nen (Muse­en, Bota­ni­scher Gar­ten usw.) konn­ten vie­le Teil­neh­men­de moti­vie­ren, regel­mä­ßig zu kom­men und mit Freu­de zu lernen.

Der Bedarf an Alpha­be­ti­sie­rung und Grund­bil­dung ist wei­ter­hin sehr hoch, die „War­te­lis­te“ für der­ar­ti­ge Pro­jek­te lang und das Ange­bot zu gering. Wir bräuch­ten dau­er­haft bedarfs­ge­recht dif­fe­ren­zier­te Kur­se für die­je­ni­gen, die dem Tur­bo­ler­nen nicht gewach­sen sind.

April, 2022

Lucas Romeik

Das Pro­jekt „ALmA“ wur­de geför­dert aus Mit­teln des Euro­päi­schen Sozi­al­fonds und der Senats­ver­wal­tung für Inte­gra­ti­on, Arbeit und Soziales.

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